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Die spirituelle Dimension und Bedeutung des Labyrinthes in der Gegenwart

In der heutigen Zeit, wo die Menschheit immer enger zusammenwächst, wo Kommunikationsmittel und Medien die Menschen auf der ganzen Welt in die Lage versetzen, zu jeder Zeit, an jedem Ort mit anderen in Kontakt zu stehen und über Ereignisse noch im letzten Winkel der Erde informiert zu sein, in dieser Zeit fangen Menschen immer mehr an, sich selbst zu suchen, ihre Mitte, das ureigene Selbst.

Menschen hungern gerade heute in einer Welt, in der „alles machbar scheint“, nach spirituellen Erfahrungen. Sie sehnen sich in einem Leben, das ihnen großenteils außenbestimmt erscheint, nach Ritualen, die sie wieder mit sich selbst in Kontakt bringen. Und gerade gläubige Menschen spüren, dass es neben der materiellen, technisch durchstrukturierten Welt noch einen mystischen Bereich gibt, den es zu entdecken gilt, und der sie mit der göttlichen Kraft in sich selbst in Verbindung bringen kann: „Der Fromme von Morgen wird ein Mystiker sein, einer, der etwas erfahren hat, oder er wird nicht mehr sein.“ (Karl Rahner, Schriften, VII 22)
Wie kaum etwas anderes ist der Gang durch ein Labyrinth dazu geeignet, Menschen den eigenen innersten Kern leiblich und sinnenhaft erfahren zu lassen und den göttlichen Funken, den wir alle seit unserer Zeugung in uns tragen, in sich selbst zu entdecken.
„In deinem Buch war schon alles verzeichnet, meine Tage waren schon gebildet, als noch keiner von ihnen da war.“ – dieses Psalmwort (Ps 139) können Menschen leibhaft auf dem Gang durch das Labyrinth erfahren, erspüren: Der Weg, mein Weg ist bereits da, die einzige Aufgabe, die ich habe, ist ihn zu gehen, und zwar im Vertrauen darauf, dass ich am Ende trotz aller Wendungen und zunächst unverständlichen „Weg-Führungen“ (in zweierlei Wortsinn) das Ziel meines Lebens erreiche.

Das Zweite Vatikanischen Konzils hat das Wort geprägt: "Das Volk Gottes unterwegs". Der Weg der Kirche und jeder einzelnen Christin, jedes einzelnen Christen ist ein Pilgerweg. Auf diesem Weg geschehen die Begegnungen mit Gott. Auf diesem Weg sind die ChristInnen aufgerufen, Zeugen der frohen Botschaft zu sein und zu werden.
Diesen Pilgerweg sinnenhaft zu erspüren eignet sich nichts besser als ein Labyrinth, was auch die Gläubigen während des Mittelalters in den gotischen Kathedralen schon erfahren haben mögen.

Das Labyrinth stellt nicht die Frage:
Gehst du richtig?
Das Labyrinth stellt die Frage:
Gehst du?
(Gernot Candolini)

Erfahrungen mit dem Labyrinth

„Anfangs bedurfte es für manche TeilnehmerInnen immer wieder einer Ermutigung, sich auf den Weg zu machen und die Angst, den Weg zu verlieren, zu überwinden. Auch die Bestätigung, dass es zur Begehung keiner Vorkenntnisse bedarf, ist wichtig. Diejenigen, die sich auf den Weg machen, entdecken mit Freude, Rührung oder Erstaunen, wie viel ihnen das Labyrinth über sich selbst und seine Beziehungen erzählt. Besonders häufig wird erwähnt, dass vom Labyrinth eine große Kraft ausgeht. Das Labyrinth bringt sehr alte Saiten zum Klingen, es erscheint mir wie ein Archetypus. Vor allem die Eindrücke und Erfahrungen auf Körperebene, die in ‚normalen’ Gottesdiensten kaum bis gar nicht mehr möglich sind, wirken lange nach.“ (Ulrike Amann)

Spirituelle Dimension Labyrinth



WALKING A SACRED PATH

We are not human beings on a spiritual path,
but spiritual beings on a human path.
(Lauren Artress)

„Ich habe mich oft gefragt, wie es möglich ist, dass ein paar verschlungen gezeichnete Linien ein solche Faszination ausüben können.
Wie magisch werden Mensch angezogen, wenn sie ein Labyrinth sehen. ... Auch wenn ... manchmal eine gewisse Scheu davor mitschwingt, auf was man sich da jetzt wohl einlässt, reagieren viele letztlich überrascht, wenn sie sich doch auf das Labyrinth einlassen. Diese Überraschung hat oft damit zu tun, dass die Fragen, die das Labyrinth stellt, so spannend sind und sehr persönlich berühren können. Gibt es in meinem Leben eine Mitte, ein Ziel, um das meine Wege kreisen? Ist dieser Weg wirklich so lang? Was bedeuten die Wendungen? Kann ich mich wirklich nicht verirren? Wann erreiche ich die Mitte, und was soll dann dort dein? Muss ich wieder zurückgehen? ...
Die Begegnung mit dem Labyrinth löst häufig eine intensive Auseinandersetzung mit sich selbst und anderen aus. Symbole faszinieren, weil Fragen oft mit den Antworten zusammenfallen. ...
Im Erleben eines Labyrinths können sich Erkenntnisse einstellen, die man so deutlich gar nicht erwartet hat. Das kann so weit gehen, dass jemand sagt: ‚Jetzt verstehe ich mein Leben‘.
Das Labyrinth scheint ein Bild zu sein, das in uns ist – wie eine Landkarte für die Reise zu uns selbst. Betrachten wir dieses Bild oder begehen wir es, wirkt es wie ein Spiegel. Auf einmal sehen wir die Wendungen und Wege unserer Seele und unseres Lebens. Wir blicken in diesen Spiegel und sehen, wie und warum sich etwas so oder so ereignet hat, welche Bedeutung es hat und in welchen Zusammenhängen es steht…
Ich bin überraschend vielen Menschen begegnet, die gesagt haben: ‚Noch nie hat sich mein ganzes Leben so vor mir ausgebreitet.’
Symbole allgemein und das Labyrinth im Besonderen sind wie Türen – Türen zwischen Innen und Außen, zwischen Bewusstem und Unbewusstem. ...
Natürlich ist nicht jede Labyrinthbegegnung mit einer Offenbarung verbunden. Manchmal ist es nicht mehr als ein lustiges Spiel oder einfach nur ein kurzweiliger Augenblick. Aber unser Inneres, unsere Seele, die Stimme des Herzens und auch Gott selbst haben uns unendlich viel zu sagen und wünschen sich oft, dass wir genauer zuhören. Jedes Labyrinth ist immer eine Einladung, diesen Stimmen zuzuhören.“ (Gernot Candolini)

Weshalb ein Labyrinth im Park des Kardinal-Hengsbach-Hauses?

Gerade im Bistum Essen, in der momentanen Situation des Umbruchs und Strukturwandels, kann ein Labyrinth Menschen und Gruppen helfen, die eigene spirituelle Mitte zu suchen und zu finden. In den Wendungen und Um-Wegen des Labyrinthes mag sich für viele die Atmosphäre der Verwirrung und Ratlosigkeit der Menschen in unseren Gemeinden widerspiegeln.
So kann das Labyrinth gerade in diesen Zeiten ein sinnenhaftes Zeichen sein, den Wegen Gottes zu vertrauen und sich ganz und gar darauf einzulassen, den Wendungen, so unübersichtlich sie auch sein mögen, zu folgen und sich darauf zu verlassen, dass das Ziel, die Mitte, am Ende erreicht wird.

Für die TeilnehmerInnen der Besinnungstage und Kurse im Kardinal-Hengsbach-Haus soll das Labyrinth eine willkommene Gelegenheit sein, während der Mittagspause oder vor bzw. nach einem Seminar - in Zugewandtheit zu sich selbst - den Weg zur (eigenen) Mitte zu finden.

Ebenso kann das Labyrinth selbst zum Thema spezieller Kurse und Seminare werden, es kann auch für LehrerInnen, die an Fortbildungen im Haus teilnehmen, praktisch erfahrbar werden und aufgrunddessen in schulische Projekte und Unterrichtsinhalte unterschiedlichster Schulformen im ganzen Bistum hineinwirken.

Auf dem Weg zur Mitte



Der Weg zur Mitte ist nie gerade

aber immer eindeutig.
(Gernot Candolini)

„Der Weg zur Mitte des Labyrinths ist lang. Selbst wenn es sich nur um ein kleines Labyrinth handelt, dauert es immer unerwartet lange, bis man die Mitte erreicht. Jeder macht diese Erfahrung: Etwas scheint direkt vor einem zu liegen, aber es zu erreichen, dauert lange. Man sieht das Ziel, aber man sieht die Wendungen nicht. Das Labyrinth
legt uns dazu eine einfache Lebensweisheit ins Herz. Wenn du das Ziel wirklich erreichen willst, lass dich nicht von den Wendungen dorthin beirren und gib nicht zu früh auf. Alles, was kostbar ist, braucht auch seine Zeit. Erschrecke nicht vor den Wendungen und erstarre nicht in ihnen, denn sonst kommst du nicht weiter.
Jede Wendung ist immer ein notwendiger Teil des Weges, der umschritten werden muss, um in der fortlaufenden Bahn zu bleiben. Wir alle schätzen die gerade Bahn, auf der alles so bleibt, wie es war. Aber das Leben ist anders, es wendet sich und es wendet uns.“ (Gernot Candolini)